Seit drei Wochen hat die Schule begonnen, und damit auch meine einjährige Karriere als Lehrer.
Wie schon in einem früheren Blogeintrag erwähnt, ist die Schule und die Art des Unterrichts völlig anders als in Deutschland.
Zuerst aber mal ein paar Informationen was zum ghanaischen Schulsystem. Die „Primary School“, die mit unserer Grundschule zu vergleichen ist, geht hier über sechs Jahre, und auch hier besuchen die meisten Kinder die erste Klasse mit fünf oder sechs Jahren.
Nach diesen sechs Grundschuljahren kommt die „Junior Highschool“, die drei Jahre von jedem besucht wird.
Auch an der „Miracle Brain School“, wo ich hier unterrichte, gibt es einmal die „Primary School“ und die „Junior High“. Der letzte Abschnitt der Schullaufbahn besteht dann aus drei Jahren an einer „Senior Highschool“. Diese Schulen gibt es immer nur in den größeren Orten und die Schüler leben dann auch dort, also vergleichbar mit einem Internat in Deutschland.
Welche „Senior High“ besucht wird, entscheiden die Abschlussnoten vom letzten Jahr an der „Junior High“. Die Schüler dürfen drei oder vier bevorzugte Einrichtungen angeben und bekommen dann je nach Leistung eben die Bestätigung für eine bestimmte Schule.
Auch meine Gastschwester wird von Oktober an eine solche „Senior Highschool“ besuchen, vermutlich in der nächstgrößeren Stadt Tamale.
An den Schulen gibt es soweit ich gehört habe auch ziemlich strenge Vorschriften, der Alltag besteht anscheinend so ziemlich nur aus Lernen, Besuche von der Familie sind nur an ein oder zwei Samstagen im Monat erlaubt und die Schüler selbst dürfen sogar nur in den Ferien nach Hause fahren.
Die mit meiner Anwesenheit beehrten „Miracle Brain School“ ist übrigens eine Privatschule. Was im ersten Moment vielleicht überraschend oder exklusiv klingt, ist hier völlig normal. Jeder, der es sich vom Einkommen her erlauben kann, schickt seine Kinder auf eine der Privatschulen, die hier den größten Teil aller Bildungseinrichtungen ausmachen. Die öffentlichen, von der Regierung bezahlten Schulen gelten nämlich in der Bevölkerung allgemein als ziemlich schlecht, anscheinend fällt der Unterricht oft aus oder die Lehrer kommen erst gar nicht, weil der Lohn vom Staat nicht pünktlich bezahlt wird oder ganz ausbleibt. Weil alle Eltern ihrem Nachwuchs natürlich eine gute Bildung ermöglichen wollen, sind also fast alle Jugendlichen auf einer Privatschule.
Deswegen sind auch die Gebühren für den Schulbesuch nicht mit denen der Privatschulen in europäischen Ländern zu vergleichen, in Ghana sind diese dann doch für den Hauptteil der Bevölkerung zu tragen.
Jetzt aber zu meiner glorreichen Tätigkeit als Lehrer. Ich darf der fünften Klasse etwas von meinem mathematischen Wissen weitergeben, und außerdem kommt die sechste Klasse im Fach „ICT“ (Information, Computer, Technology; vergleichbar mit ITG in Deutschland) in den Genuss meiner Computerkenntnisse.
Beide Klassen bestehen aus knapp 60 (ja, sechzig!) Kindern, aber das ist hier die standardmäßige Klassengröße.
Für diese große Zahl an kleinen, aufgedrehten Kindern sind die beiden Klassen bisher aber wirklich sehr gut zu unterrichten, sowohl die Elf- bis Dreizehnjährigen in Klasse fünf als auch die etwas Älteren ein Schuljahr darüber. Um alle Namen zu lernen, brauche ich sicher noch eine Weile; 120 gleichaltrige Kinder, die auch noch alle eine Uniform tragen, sind tatsächlich nicht so leicht auseinander zu halten.
Hier an der Schule gibt es aber nicht nur die Pflicht, die Schuluniform zu tragen, sondern zum Beispiel auch lackierte Nägel sind verboten. Die älteren Mädchen müssen außerdem ihre Haare sehr kurz tragen, weil es anscheinend früher oft Probleme damit gab, dass während des Unterrichts Frisuren gestaltet werden.
Leider gibt es nicht nur einige solche strengen Regeln, manche Lehrer benutzen auch physische Strafen, um sich gegen störende Schüler durchzusetzen. Das trifft keineswegs auf alle Lehrer zu, aber manche nutzen tatsächlich ab und zu eine Rute, um sich Respekt zu verschaffen.
Glücklicherweise habe ich eine solche Situation nur ein- oder zweimal mitbekommen, meistens scheint es so, dass die Rute eher als „Respektsymbol“ auf dem Pult liegt.
Man merkt auch sehr, dass die Kinder den Anblick einer solchen Rute gewöhnt sind und dies als normal ansehen, weil man es hier eben nicht anders kennt; das ist auch wieder einer dieser Momente, wo mir klar vor Augen geführt wird, wie unglaublich unterschiedlich Ghana und Deutschland doch sind.
Das einzige „Problem“, das während meiner Tätigkeit als Lehrer bisher aufgetreten ist, besteht in Form eines kaum vorhandenen Computerraums. Es gibt nur drei oder vier Computer, die aber in dem Raum stehen, der als Lehrerzimmer genutzt wird. So erklärte mir meine Klasse auch, dass sie im gesamten letzten Schuljahr im Fach ICT vielleicht dreimal wirklich mit Computern gearbeitet hat. Dieser Umstand macht logischerweise das Unterrichten in dem Fach nicht wirklich leichter.
Die anderen Lehrer machen es anscheinend so, dass jeder Schritt, der am PC gemacht wird, einfach an die Tafel geschrieben wird. Da ich den Erfolg dieser Methode allerdings bezweifle, probiere ich auf jeden Fall, mir was anderes einfallen zu lassen.
In Mathe läuft es bisher eigentlich echt sehr gut, die Klasse verhält sich für so eine große Anzahl an Kindern in einem Raum verhältnismäßig ruhig und vor allem beteiligt sich auch der Großteil am Unterricht.
Ich hoffe, ihr habt jetzt mal einen ganz guten Einblick in eine typische ghanaische Schule gewonnen, und wie ja jeder fleißige Leser weiß arbeite ich neben meiner Tätigkeit als Lehrer auch noch im Feeding Center.
Die Einrichtung wurde vor einigen Jahren von einem Pfarrer gegründet, und vor dessen Haus treffen wir uns dann auch immer von 16-18 Uhr mit den Kindern. „Pastor Joseph“, wie er hier von allen genannt wird, ist auch für uns einer der Hauptansprechpartner während unseres Jahres hier, und wie die meisten Ghanaer ist auch er sehr gastfreundlich und lädt uns so zum Beispiel einmal die Woche zum Abendessen ein (und seine Frau Mary kocht hervorragend!).
Je nach Wochentag unternehmen wir verschiedene Sachen mit den Kindern, seit ein paar Wochen haben wir dafür sozusagen einen Wochenplan erstellt. So machen wir jeden Donnerstag beispielweise irgendwelche Ballspiele, während am Freitag Armbänder geknüpft werden.
Samstags treffen wir uns vormittags mit den Kindern und verbringen die Zeit in einer Art „Park“, der sich neben dem Hospital befindet. Hier wird dann Felis Slackline aufgespannt, eindeutig ein Highlight der Woche, oder die Kinder zeigen uns ihre sportlichen Tricks (es ist unglaublich, wie die hier schon mit neun oder zehn Jahren in der Luft rumspringen und ihren Körper verbiegen…)
Eine Sache, die seit Anfang September hier den Alltag mitbestimmt, ist das Wetter: Über den jetzigen Monat regnet es mit Abstand am meisten, und das beeinflusst ab und zu schon ziemlich den Tagesablauf. Wenn es nämlich regnet, dann richtig. Und das heißt, innerhalb von ein paar Sekunden schüttet es aus allen Kübeln, und da werden die ganzen staubigen Wege hier schon auch mal zu kleinen Flüssen.
Da der Regen eben immer so stark ist, kommen dann zum Beispiel die Kinder nicht in die Schule (so ist gleich mal mein erster Arbeitstag ausgefallen), oder wir gehen gar nicht erst ins Feeding Center, weil auch die Kinder dann direkt nach Hause gehen.
Sowieso versteckt sich bei Regen eigentlich jeder drinnen, und aufgrund der nicht asphaltierten Straßen hier fahren manchmal zum Beispiel auch keinen Busse mehr, wenn es zu lange geschüttet hat.
Das mit dem Regen ist allerdings nur eine Sache, an die ich mich in den bisher 9 Wochen hier überraschend schnell gewöhnt habe.
Eine weitere Umstellung ist nämlich die völlig andere „Stromsituation“ in Ghana. So ziemlich alles, was in Ghana an Strom gebraucht wird, liefert der riesige Volta-Stausee im Südosten des Landes.
Der größte Stausee der Welt ist komplett unglaubliche 26-mal (!!) so groß wie der Bodensee, also wirklich unvorstellbar riesig.
Jedenfalls wird hier wie gesagt alles an Elektrizität gewonnen, und so kommt es logischerweise in der Trockenzeit zu Engpässen in der Versorgung. Meine Gastmutter hat mir zum Beispiel erzählt, dass es letztes Jahr in der Trockenzeit tatsächlich einmal drei Tage am Stück keinen Strom gab. Zur Zeit ist zwar noch Regenzeit, aber trotzdem gibt es manchmal keinen Strom, beziehungsweise immer alle vier Tage.
Dann wird nämlich von morgens sechs bis abends sechs Uhr der Strom ausgeschaltet, sozusagen ein erzwungenes „Stromsparprogramm“ der Regierung. Aber wie gesagt, ist das „six to six“, wie es hier jeder nennt, eigentlich gar kein Problem. Da man immer weiß, wann der Strom ausfällt, kann man sich darauf einstellen und es beschwert sich hier auch keiner darüber.
Natürlich wird auch der Umgang mit Wasser hier anders gehandhabt als in Deutschland. Fast keiner kommt hier in den Luxus, sowie meine Gastfamilie eine Waschmaschine daheim stehen zu haben; gewaschen wird am Fluss oder mit Regenwasser.
Aber auch in meinem neuen Zuhause spielt das Regenwasser eine wichtige Rolle. Auch das Wasser das hier „aus der Leitung“ kommt, wird eigentlich nämlich aus großen Tanks entnommen, die bei uns auf dem Dach stehen.
Und weil so eine Tankfüllung für die Verhältnisse hier ziemlich teuer ist, nutzen auch wir das Regenwasser, indem wir es ganz einfach in die Waschmaschine kippen, damit dafür nicht das Wasser aus den Tanks draufgeht. Und wenn der Tank mal leer ist, wird das Regenwasser durchaus auch zum Duschen oder Kochen benutzt.
Ich hoffe ihr habt mit diesem Eintrag einen kleinen Einblick in meine Freiwilligenarbeit gewonnen, und ich kann nur sagen, dass es sich tatsächlich auch mit Stromausfällen und Wassermangel ziemlich gut aushalten lässt.
Grüße aus Nalerigu natürlich an alle in Deutschland, aber auch an meine freiwilligen Mitstreiter in Afrika: Michi in Südafrika, Lilli in Kenia und Lucia in Südghana; und seit kurzem befindet sich sogar noch ein weiterer Jakob aus Tübingen in Ghana, Gruß auch an dich!
Bis bald, euer Jakob aka JJJ
Ganz toller Eintrag Jakob, gefällt mir sehr gut! Es ist auch für mich, der jahrelang in einer Einrichtung in Ghana gearbeitet hat, immer wieder faszinierend, wie unterschiedlich doch der Alltag und das Leben in Ghana gegenüber Deutschland ist. Ich hoffe du hast dort noch eine tolle Zeit!
LG Karl-Heinz Thurm
PS.: Eine Frage noch: Was soll dieses schwarze Bild darstellen?
LikeLike
Lieber Jakob, wow, hört sich ja alles sehr spannend an…das mit der Rutengeschichte ist natürlich nicht so Sahne ;tolle Bilder mensch,super .Hier wird langsam der Herbst eingeläutet und deine Brüder verausgaben sich noch so gut es geht um die letzten Sommertage zu genießen :).Wir freuen uns schon auf deinen nächsten Blogeintrag.Bis dahin fühl dich gedrückt und Liebe.Deine Mama&Schwester . ♡
LikeLike
Hallo Jakob bei so einem Lehrer wollte ich nochmals ein Schüler sein. Sehr schöne Geschichten von deinem FsJ Jahr. Was du da erlebst prägt später auch dein Leben. Viele Grüße von deinem TT Trainer Manne
LikeLike