Ein paar Geschichten

Nach sehr, sehr langer Pause kommt nun endlich mal wieder ein Update aus Ghana. Unter anderem weil mein Laptop den Geist aufgegeben hat, habt ihr so lange nichts mehr gehört, und deswegen gibt es natürlich auch so einiges zu erzählen.
Ende September durfte ich ja schon meinen 19. Geburtstag feiern (unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht), und gefeiert wurde am Strand.
Da ich ja „oben“ im Norden Ghanas lebe, ging es also erst einmal mit dem Trotro durch das ganze Land in den Süden an die Küste.
Eigentlich wollte ich mit Feli nur die liebe Lucia (www.luciainghana.wordpress.com) in Kumasi besuchen, doch dann sind wir spontan noch für anderthalb Tage nach Cape Coast, und dieser kleine Ausflug hat sich voll gelohnt.
Doch zuerst ging es noch in Kumasi auf den riesigen „Central Market“, den größten Markt in Ghana und einen der größten in ganz Afrika. Riesige Menschenmassen drängen sich durch die engen, verwinkelten Gassen, und man hat eigentlich keine Chance, sich irgendwie zu orientieren.
Und auf dem Markt bekommt man tatsächlich eigentlich alles, über Nahrungsmittel und Kleidung bis zu allerlei Alltagsgegenständen oder exotischen Dingen. Die Menschen hier sagen auch, „was man hier nicht kaufen kann, kann man nirgends kaufen“; und wenn man sich auf dem Markt zurechtfindet, kann man wahrscheinlich auch wirklich alles kriegen, was man irgendwie brauchen kann.
Nach diesem einmaligen Erlebnis ging es wie schon gesagt nach Cape Coast. Doch erst einmal gab es ein kleines Trotro-Problem, beziehungsweise weil wir uns nicht auskennen haben wir Cape Coast verpasst und waren dann schon knapp eine Stunde zu weit gefahren. Doch zum Glück sind wir ja in Ghana und die Menschen waren wie so oft sehr hilfsbereit, sodass wir direkt an ein Trotro in die richtige Richtung weitergegeben wurden und uns sogar noch ein Teil der Fahrt bezahlt wurde!
So kamen wir dann irgendwann mittags bei unserem Ziel an, einer wunderschönen kleinen Anlage mit Bungalows direkt am Meer. Und nicht nur unsere Unterkunft war echt sehr nicy nice, sondern auch der Strand! So durfte ich einen sehr gechillten Nachmittag am Strand verbringen, und über die Nacht habe ich dann zum ersten Mal am Strand meinen Geburtstag gefeiert.

Außerdem haben wir auch noch zwei lässige deutsche Studenten getroffen, von denen einer selber mal Freiwilliger in Ghana war und der uns noch einiges interessantes von seiner Zeit erzählen konnte. Leider musste ich mich dann auch schon am nächsten Nachmittag wieder Richtung Norden aufmachen, aber der kurze Ausflug hat sich auf jeden Fall voll gelohnt.
Es ist auch unglaublich, wie unterschiedlich der Norden und der Süden Ghanas sind, die Landschaft, Kultur und das Klima sind nicht miteinander zu vergleichen. So gibt es zum Beispiel auch Ghanaer von der Küste, die sagen, sie würden es im Norden gar nicht aushalten, weil es da doch nochmal ein bisschen heißer ist. Man merkt auch, dass der Süden,vor allem der Küstenbereich, mehr „touristisch“ gestaltet ist und die Leute eindeutig mehr an Weiße gewöhnt sind.
Dieser Ausflug an die Küste war natürlich nicht das einzige, was ich in der vergangenen Zeit in Ghana unternommen und erlebt habe.
Ich durfte nämlich zum Beispiel auch noch Zahnarzt (nicht Kieferorthopäde lol xD) spielen. Zweimal im Jahr kommt nämlich ein Zahnarzt aus den USA an das Krankenhaus hier, fährt in die umliegenden Dörfer und befreit die Menschen von schmerzenden Zähnen. Und weil mich das interessiert hat, bin ich auch mal mit gefahren, und „weil ich jetzt ja schon ein bisschen zugeschaut habe, kann ich jetzt auch mal einen Zahn ziehen“, wie er es sagte. Doch der mittlerweile über 80(!)-jährige Zahnarzt ist nicht der einzige, der hier ans Krankenhaus kommt, um zu helfen. Immer wieder kommen Medizinstudenten oder Ärzte aus der ganzen Welt, vor allem aus der USA, für einige Zeit nach Nalerigu um etwas zu lernen und vor allem um zu helfen. Auch ich will in nächster Zeit öfter mal im Krankenhaus vorbei gucken und vielleicht auch mal bei einer Operation oder so zuschauen, weil das eine einmalige Chance ist und mich sehr interessiert.
Ein paar Mal im Jahr gibt es hier in Nalerigu auch „Festivals“, also irgendwelche Feierlichkeiten aufgrund von religiösen oder auch traditionellen Feiertagen. Meistens erfährt man dass immer erst ein oder zwei Wochen vor dem jeweiligen Festival, so auch beim „Fire Festival“, was hier vor einiger Zeit war. Das liegt daran, dass die Festtage abhängig vom Stand des Mondes und einigen anderen Vorrasstetzungen gelegt werde, also nicht irgendwie nach dem Kalender. Dieses Fire Festival findet aufgrund einer traditionellen Legende statt. Um das zu verstehen, muss man vielleicht erst einmal noch ein bisschen mehr über die Kultur in Nordghana bzw. Nalerigu erfahren.
Hier in Nalerigu gibt es einen „Chief“ oder „King“, wie ihn die Leute hier nennen, also so etwas wie ein Deutschland ein Bürgermeister. Außerdem gibt es dann in den umliegenden Dörfern so etwas wie „Subchiefs“, also dann wieder jeweilige Verantwortliche für die Dörfer. Wer mit dem Chief sprechen will, muss zu einer bestimmten Zeit in der Woche kommen, wo sich der dieser dann die Anliegen und Probleme seiner „Untertanen“ anhört, oder man bittet um eine Audienz. So kann es zum Beispiel passieren, das ein Streit vor dem Chief landet, der dann sein Urteil fällt und so entscheidet, wer schuldig ist. Außerdem glauben die Menschen hier an Legenden, die man sich von früher erzählt, oder an andere „magische“ Dinge. So sagt man zum Beispiel, wer den Chief ohne dessen Erlaubnis fotografieren will, bekommt nur ein schwarzes Bild zu sehen.
Jetzt aber zur Legende vom Fire Festival: Eines Abends ist der Sohn des Chiefs verschwunden. Der Chief lässt im ganzen Dorf die Leute befragen, doch niemand hat ihn gesehen. Tagsüber hat er mit sienen Freunden gespielt, doch die sind alle wieder daheim und wissen nicht, wo er sein könnte. Schließlich lässt der Chief die Männer mit Fackeln in den umliegenden Dschungel gehen, es ist schon stockdunkel und alle hoffen, dass es dem Chiefsohn gut geht. Nach einer langen Suche findet man ihn endlich friedlich schlafend unter einem Baum. Aus Freude darüber, dass sein Sohn wieder wohlbehlaten aufgetaucht ist, lässt der Chief dieses Ereignis jedes Jahr feiern.
So ungefähr erzählen die Leute hier die Legende, und diese Tradition hat sich bis heute fortgeführt Das Fire Festival läuft dann so, dass der Chief von Trommelmusik begleitet aus seinem Haus getragen wird und feierlich die erste Fackel entzündet, an der dann auch alle anderen angezündet werden. Die restliche Nacht wird gefeiert, und wer die Fackel dreimal über seinen Kopf schwingt, wird in der nächsten Zeit Glück haben.
Dieser Abend war auf jeden Fall sehr unterhaltsam und ich freue mich schon auf das nächste Festival.
Und auch sonst läuft der Alltag hier in Nalerigu echt gut. Die Arbeit mit den Waisenkindern macht wirklich immer wieder aufs neue Spaß, und die Kinder sind einfach alle so gut drauf. Es ist immer wieder sehr witzig, sich die Fragen über das Leben Deutschland anzuhören und dann die ungläubigen Gesichter der Kinder nach meiner Antwort zu sehen. Und obwohl die meisten auch echt nicht viel zum Leben haben, sieht man die Kids eigentlich immer nur fröhlich. Ein paar von den älteren Jungs haben in letzter Zeit auch ein bisschen Deutsch gelernt und es ist tatsächlich sehr lustig, mit „yo alles fresh alter“ begrüßt zu werden.
Auch in der Schule bin ich immer noch fleißig am Lehrer spielen. So langsam kenne ich wenigstens so ungefähr die Hälfte der Namen, und auch die Schüler haben sich an mich gewöhnt. Diese Woche wurden die „End-of-Term Exams“ geschrieben, immer vor den Ferien wird in jeder Klasse ein Klausur geschrieben, die auch den Hauptteil der Note ausmacht. Das Problem dabei war nur, dass ich gedacht habe ich mache meine Klausur selber, aber dann kamen die Arbeiten aus der Hauptstadt Accra, also vorgefertigt für jede Klasse gleich. Weil ich vor allem in meiner ICT-Klasse nicht soviel nach dem Schulbuch unterrichtet habe, hatten meine armen Schüler dann nicht so viel Ahnung von dem, was gefragt wurde. Weil ich aber ein großzügiger Lehrer bin, habe ich allen natürlich ein bisschen was drauf gegeben, sodass dann am Ende doch alle zufrieden waren. Es ging auch tatsächlich nicht nur mir so, bei meiner Gastschwester in der Klasse hatte niemand mehr als 30 von 100 Punkten in Mathe.
Vor ein paar Wochen habe ich außerdem eine „Dramagroup“ ins Leben gerufen, also eine Art Theater-AG, weil ich einerseits selber sehr viel Spaß in der Kursstufe in LuT hatte und andererseits auch weil die Schüler hier sonst nie Unterricht haben, der in diese kreative Richtung geht. Die ersten zwei Treffen sind ganz gut gelaufen, und die Schüler haben gemeint, sie wollen auch unbedingt ein Stück einstudieren, da muss ich jetzt mal gucken was sich da machen lässt.
Ab nächster Woche sind aber erst mal Schulferien, und nach Weihnachten kommt mich dann meine liebe Mutti besuchen! Auf diesen Besuch freue ich mich schon riesig, zum einen natürlich weil ich meine ganze Familie vermisse (inklusive meiner Großeltern!) und auch weil dann jemand mal wirklich selber erlebt, was ich hier immer so erzähle.
Doch auch zwischen meinem Geburtstag an der Küste und den Ferien, die jetzt kommen, war ich nicht immer nur in Nalerigu.
Am Wochenende ging es einmal ab nach Paga, einen Ort ein paar Kilometer vor Burkina Faso.
Dort gibt es nämlich einen See voll mit Krokodilen (anscheinend mehr als 200), die „zahm“ sind und auf ein Signal an Land kommen. Außerdem sind die Tiere heilig, die Geschichte dazu habe ich allerdings vergessen, aber jedenfalls opfern die Menschen hier den Krokodilen auch ab und zu ein Huhn oder einen anderen Leckerbissen (auch Krokodile brauchen schließlich ihre Gainz!)
Auf jeden Fall zahlt man einen kleinen „Eintritt“, Paga ist eine der wenigen „Attraktionen“ hier im Norden, und darf dann Fotos machen und zuschauen, wie ein Huhn verspeist wird.

Eine ganz andere Art von „Attraktion“ im negativen Sinne gibt es im Nachbarort von Nalerigu, nur ein paar Kilometer entfernt: ein sogenanntes „Witches Camp“.
Hier leben mehr als hundert Frauen gemeinsam in einem abgeschlossenen Teil des Dorfes, und jede von ihnen wurde aus ihrer Familie und ihrem Dorf ausgestoßen. Und zwar ganz einfach, weil irgendjemand sie beschuldigt hat, eine Hexe zu sein. Das so etwas passiert, kann unterschiedliche Gründe haben, aber meistens läuft es anscheinend ungefähr gleich ab: Eine Frau, die schon etwas älter ist und eigentlich schon „längst Nachwuchs haben sollte“, hat immer noch keine Kinder bekommen. Dann ist noch irgendeine Person aus der Familie der Frau schwerkrank, hat zum Beisiel Epilepsie, oder es passiert sonst irgendetwas schlimmes. Nun behauptet jemand, die Frau sei eine Hexe. Irgendwann landet so ein Fall dann meistens vor dem jeweiligen verantwortlichen Chief, und dann wird mit irgendeinem Ritual entschieden, ob die Frau eine Hexe ist. Wenn ja, wird die Person aus der ganzen Familie und Dorfgemeinschaft ausgestoßen, und landet dann in so einem „Witches Camp“.
Jedenfalls waren wir mit einer Familie, die auch hier in Nalerigu lebt und am Hospital arbeitet, diesen Ort besuchen. Man kann die Frauen vor Ort unterstützen, und eine der vielen nationalen christlichen Gemeinden verwaltet das ganze. Die Frauen verkaufen unter anderem selbstgemachte Seife oder Armbänder und Halsketten. Außerdem finanzieren sie sich ihr Leben durch Arbeit auf dem Feld und die eigenen Ernten. Das Ziel der Helfer vor Ort, die alles verwalten und die Frauen unterstützen, ist es, die Frauen wieder in ihre ursprüngliche Dorfgemeinschaft einzugliedern und natürlich auch in ihre Familien. Es ist ziemlich krass, das Ganze so selber zu sehen. Den Frauen geht es nicht einmal so schlecht bezogen auf ihre Unterkunft, aber sie leben halt wirklich wie Aussätzige in ihrem eigenen kleinen „Dorf“. Wenn eine Frau dort ein Kind bekommt, ist dieses Kind auch eine „Hexe“, und was für eine Zukunft wartet dann auf so jemanden?
So konnte uns der Verantwortliche des „Witches Camps“ aber auch berichten, dass tatsächlich schon wieder einige Frauen in Zuhause zurückgekehrt sind, und auch einige der Kinder besuchen eine Schule oder sogar die Uni. Aber dass solche „Witches Camps“ überhaupt existieren, ist natürlich unglaublich. uns wurde auch auch berichtet, dass Leute von weit her kommen, um das Camp zu sehen, aber nicht um die Frauen zu unterstützen, sondern um zu sehen, wie solche „Hexen“ denn leben. Und obwohl solche Dinge selbstverständlich keine tollen Erlebnisse sind, genieße ich die Zeit hier total.
Die Menschen hier sind wirklich alle unglaublich gastfreundlich. Wenn man durch Nalerigu läuft, wird man immer wieder zum Essen eingeladen, auch die Kinder untereinander teilen immer alles. Und vor allem sind alle Leute hier einfach zufriedener mit dem, was sie besitzen.

In der letzten Zeit hat sich auch das Wetter noch einmal geändert. Die Regenzeit ist vorbei, die Luftfeuchtigkeit ist von über 90% auf unter 30% gesunken, die „dry season“ hat begonnen. Ende Oktober gab es den letzten Regen, und seitdem gibt es wohl noch bis Mitte Januar den „Hamatan“.
In diesem ersten teil der Trockenzeit gibt es ständig Winde die aus Richtung der aus der Sahara kommen, und weil es eben keinen Ragen mehr gibt, ist es staubig. Und zwar alles, egal ob drinnen oder draußen. Die Leute hier meinen, das sei das schlimmste Wetter im ganzen Jahr, auch weil durch den trockenen Staub die Haut extrem austrocknet. Dafür ist die Temperatur jetzt ganz angenehm, und nachts kann es echt sogar mal „kalt“ werden, mit knapp unter 20 Grad. Tatsächlich friere ich selber gegen Abend auch manchmal ein bisschen, aber trotzdem nicht so wie die Ghanaer, die dann mit Winterjacke in die Schule kommen.
Es ist natürlich teilweise auch ungewohnt, wenn es im Dezember zur Weihnachtszeit so warm ist, aber meistens wird mir das nur so richtig klar, wenn ich zum Beisiel merke, dass schon der dritte Advent ist. Letzten Samstag waren wir dafür zum Lebkuchen und Spekulatius backen bei einer Familie aus Belgien eingeladen, die hier zurzeit auch leben und am Hospital arbeiten.

Sonst gibt es noch zu berichten, dass im November für eine Woche Besuch aus Deutschland da war. Die Ghana-Verantwortliche von unserer Organisation, Stephanie, war hier und hat sich mit uns über unsere Arbeit und unsere Erlebnisse ausgetauscht. Es war sehr interessant, sich mal wieder mit jemand auf deutsch über das Erlebte zu unterhalten, und außerdem zu hören, dass auch die vorherigen Freiwilligen teilweise genau gleiche Eindrücke von Ghana hatten.
Anscheinend sind auch die Leite vor Ort an der Schule und vom Feeding Center sehr zufrieden mit mir und meiner Arbeit, das hat mich natürlich auch sehr gefreut und mich in dem was ich hier tue bestärkt.

So, jetzt durftet ihr mit reichlich Verspätung also endlich mal wieder was von mir lesen,
ich freue mich wie immer auf amüsante Kommentare und Fragen sind auch wieder willkommen.
Ich hoffe allen anderen FSJlern geht es auch gut, und an alle Schüler und baldige Abiturienten: Lasst euch nicht stressen!

Greetings from Ghana,
Jakob aka JJJ

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3 Gedanken zu “Ein paar Geschichten

  1. Schon lange nicht mehr so was tolles gelesen. du hast dich echt nicht verkauft für die Induschhtrie wie der rest
    ich glaube entweder hast du einfach immer etwas tolles neues zu berichten oder du bist so cool dass du immer zeit für die waren eifrigen fans has

    ich schau auch nicht auf die Rechtschreibung weil ich nicht so schlau bin
    das kannst du aber ruhig so lassen

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